Max Mustermann ist Teamleiter in einer oberösterreichischen Versicherung. Er hat ein kleines Haus am Stadtrand von Linz, eine Frau, zwei Kinder und einen Hund. Seine Freunde würden ihn als netten, ruhigen Menschen beschreiben.

Er ist ein absoluter Normalbürger. Weder ist er ein Spion, noch arbeitet er in irgendeiner politischen oder sicherheitsrelevanten Position. Viele ganz normale Menschen werden einige Ähnlichkeiten mit ihm haben. Und dennoch hätte Max Mustermann viel zu verlieren, würde seine Privatsphäre verschwinden.

Warum man kein gläserner Bürger sein sollte

Max hat jahrelang eine schlecht ausgebildete Bekannte, die plötzlich von ihrem Mann verlassen wurde, unter der Hand als Putzfrau beschäftigt, um ihr über die Runden zu helfen. Jemand könnte das den falschen Leuten mitteilen und ihn damit erpressen.

Die Freundin von Max hat schon einmal mit ihm ein kompromittierendes Foto gemacht. Jemand, der sich darauf Zugriff verschafft, könnte ihm dieses Foto mailen und ihn damit erpressen. Hätte er einmal nach gewagteren sexuellen Vorlieben im Internet gesucht, könnten diese ebenfalls als Druckmittel genutzt werden.

Max hat während einer Trennung seiner damaligen Partnerin in emotionalen Momenten sehr wütende Nachrichten geschrieben. Sie wusste, dass er es nicht ernst gemeint hat und hat es ihm verziehen. Doch würden diese Nachrichten veröffentlicht, kennt die Gesellschaft den Kontext nicht und würde ihn dafür verurteilen.

Seine Tochter ist bereits eine erfolgreiche Anwältin und hilft täglich als ehrenamtliche Pflichtverteidigerin Menschen dabei, ihr Recht durchzusetzen. In ihrer Jugend hat sie einmal einen Fehler gemacht und in einer Boutique Kleidung gestohlen. Als Strafe des Gerichts musste sie lange Zeit in einem Altersheim aushelfen und die Verurteilung wurde dafür danach aus ihrer Akte gelöscht. Sollte das öffentlich gemacht werden, wäre ihre Karriere in Gefahr, womit man auch Max unter Druck setzen könnte.

Max kommentiert häufig in dem Online-Forum einer Regionalzeitung anonym Beiträge mit seiner persönlichen Meinung, die er ohne den Schutz der Anonymität so nicht sagen würde, da er sich damit nicht nur Freunde gemacht hätte.

Über seine vergebenen Online-Kommentare, Likes, Facebook-Chats und Suchverläufe lassen sich Infos über seine politische Orientierung herauslesen. Mit dem Vorschlagen oder Vorenthalten von Nachrichten kann er dann manipuliert werden.

Genauso wie jeder Bürger hat auch Max Mustermann also etwas zu verbergen und zu verlieren.

Am besten mit dieser Thematik kennt sich auf dieser Welt vermutlich Edward Snowden aus. Und auch von ihm stammt folgendes sehr zutreffendes Zitat:

“Zu argumentieren, dass Sie keine Privatsphäre brauchen, weil Sie nichts zu verbergen haben, ist so, als würden Sie sagen, dass Sie keine Meinungsfreiheit brauchen, weil Sie nichts zu sagen haben”.

Das Recht auf einen privaten Lebensbereich

Privatsphäre muss außerdem nicht unbedingt bedeuten, etwas zu verbergen – so gut wie jeder Mensch schließt bei einem privaten Gespräch die Tür des Raums, pflanzt Eiben oder Bäume an der Grenze des eigenen Gartens und zieht Rollläden zu, um den zutiefst privaten Lebensbereich vor neugierigen Blicken zu schützen. Warum sollte für das digitale Leben etwas anderes gelten? Kuscheln mit der Familie, private Gespräche und Streitereien, das gelegentliche nackte Gehen durch das Haus nach dem Duschen, Sexualität und anderes sind keine skandalösen oder verbotenen Handlungen, dennoch wollen wir nicht, dass uns fremde Augen dabei zusehen. Wer nicht will, dass der eigene Nachbar etwas mitbekommt, der kann auch nicht wollen, das fremde Personen, der Arbeitgeber oder der Staat das sehen.

Die ganz alltägliche Folgen der Totaldurchsichtigkeit

Permanente und weit greifende Überwachung hat auch in Demokratien viele gefährliche Folgen: Die eigene Versicherungsrate könnte steigen, falls das Auto mal zu viele km/h misst. Sucht man längere Zeit online nach Hilfe gegen Depressionen, z.B. weil man eine enge Bezugsperson verloren hat, könnte man als derzeit nicht krisenresiliente Person vorgemerkt werden. Solche Daten könnten Recruiting-Firmen in Ländern mit weniger starken Datenschutzgesetzen von Google und Co. kaufen und bei Einstellungsentscheidungen nützen. Versicherungen könnten einem bestimmte Dienstleistungen verweigern, weil man in der Vergangenheit mit dem eigenen Gehalt nicht immer gut über die Runden gekommen ist. In vielen Ländern, auch demokratischen, passiert das bereits jetzt so oder in (noch) abgeschwächter Form jeden Tag.

Manipulation durch Datenwissen

Auch in liberalen Staaten gibt es eine ganz andere Gefahr: Manipulation.

Mit dem Wissen was Firmen wie Google, Facebook und Amazon durch Daten erhalten können sie beeinflussen, was man kaufen soll, was die Informationen, Nachrichten und Bücher sind die man erhält und theoretisch auch was für Informationen einem besser vorenthalten werden. Das funktioniert z. B. über Werbung, Produktvorschläge auf Amazon, vorgeschlagene Videos auf Youtube oder die selektierten Nachrichten des Google-, Facebook- oder Reddit-Algorithmus. Im US-Wahlkampf wurde das beispielsweise eingesetzt, um Wechselwähler zu überzeugen mit politisch perfekt auf den einzelnen Wähler abgestimmtem Advertising, dessen Inhalte aber nicht einmal unbedingt dem tatsächlichen Programm der jeweiligen Partei entsprachen.

Schwachstellenpotential

Die absichtlich eingebauten Softwarefehler bzw. Schnittstellen für die Überwachung durch die Regierung haben immer auch zur Folge, dass die so erzeugten Sicherheitslücken irgendwann durch Drittparteien wie z. B. Hacker ausgenützt werden. Verschlüsselung kann z.B. technisch nicht nur für den Staat zusätzlich zu den Adressaten sichtbar sein. Außerdem verschwindet sichere Verschlüsselungstechnik ja nicht, sie kann von jedem Softwareentwickler nach öffentlich verfügbaren mathematischen Anleitungen nachgebaut werden. Dennoch probieren die Staaten der 5 Eyes Geheimdienstallianz (Australien, Kanada, Neuseeland, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten) laufend, in z.B. den USA und der EU die digitalen Rechte der Einwohner einzuschränken.

Fehlende Vorteile

Kriminelle und Terroristen wissen, wie sie staatliche Kontrollen umgehen können. Meist bleiben nur nicht kriminelle Normalbürger übrig, die von der Überwachung erfasst werden. Des Weiteren hat z. B. ein unabhängiges politisches Forschungsinstitut in den USA, die New America Foundation, in einer Studie, die 255 Terrorismusfälle ausgewertet hat, herausgefunden, dass die Ermittlungen meistens durch traditionelle Strafverfolgungs- und Fahndungsmethoden angestoßen worden seien. Dagegen habe das Telefondaten-Sammeln der NSA “keinen erkennbaren Einfluss auf die Verhinderung von Terrorakten gehabt”.

Schlusswort

Zu glauben, nie etwas verbergen zu haben, nie etwas zu besitzen, dass andere Leute an sich nehmen wollen oder sie neidisch macht ist ein Trugschluss. Jeder kann über seine Familie, seinen Beruf, seine Freunde oder sein Handeln bedeutend werden.

Und selbst wenn man ganz gewöhnlich ist: Fehler sind etwas zutiefst Menschliches. Jeder verdient es, eine zweite Chance zu bekommen und nicht sein Leben lang gebrandmarkt zu sein. Deswegen ist es wichtig die eigene Privatsphäre zu schützen.

Mehr über den Schutz der eigenen Privatsphäre online lernen: https://www.privacytools.io/